Das Urheberrecht in der Lehre
Wie schön, dass Dich die Potenziale mediendidaktischer Lehre offenbar überzeugen konnten und ich Dich hier wiedertreffe!
Nun möchte ich mit Dir gerne über die Einbindung von multimedialen Elementen in den Lehrkontext sprechen.
Digitale Medien im Unterricht verwenden: schön und gut. Aber vielleicht fragst Du Dich nun: Wo nehme ich denn die hierfür notwendigen Werkzeuge her? Welche Programme verwende ich, um meine Lernenden kollaborativ und digital an einem Thema arbeiten zu lassen? Wo bekomme ich die Lehrvideos zu dem Chemieversuch, den ich in der Praxis meinen Lernenden so nicht vorführen kann?
Die Anfrage auf Internetsuchmaschinen liefert schnell Ergebnisse, doch so einfach lassen sich diese für den Unterricht nicht verwenden. Hierbei gibt es nämlich rechtiche Bedingungen zu beachten, die sich vor allem auf das Urheberrecht beziehen.
Möchtest Du digitale Lehr/Lernmaterialien in Deine Lehre einbinden, solltest Du (wie auch bei nicht digitalen Materialien) stets auf das Urheberrecht achten. Dieses besagt, dass fremde Werke nur mit Zustimmung der urhebenden Person genutzt werden dürfen, da diese im Besitz des Verwertungsrechtes ist. Die Zustimmung der urhebenden Person kann in Form von so genannten Nutzungsrechten erfolgen, die dann darüber entscheiden, inwiefern das Werk verfielfältigt, verbreitet, ausgestellt, bearbeitet und weitergegeben werden darf.
Es können entweder individuelle Absprachen getroffen werden (beispielsweise indem man die urhebende Person kontaktiert und mit ihr einen gemeinsamen Lizenzvertrag aushandelt), oder die urhebende Person gibt mit Veröffentlichung des Werkes bereits eine Lizenz (beispielsweise offene CC Lizenzen) an, um über Nutzungsbedingungen zu informieren.
Zudem können auch so genannte Schrankenregelungen greifen, die das ausschießliche Urheberrechtsgesetzt einschränken. Das heißt, dass in diesen Fällen die Nutzungsrechte erweitert werden können.
Wie Du vorgehen solltest
Möchtest Du ein digitales Lehr/Lernmaterial in Deiner Lehre verwenden, dann stelle Dir zunächst diese Fragen:
Handelt es sich um ein Werk?
Denn das Urhebergesetzt schützt Werke. Hiermit sind "persönlich geistige Schöpfungen" (Kreutzer/Hirche 2017, S. 9) gemeint, die beispielsweise Texte, Filme, Fotos, Musik aber auch digitale Programme, Lernplattformen, Datenbanken und wissenschaftliche Werke einschließen können. Ob es sich bei einem Material um ein Werk handelt, muss im Zweifel im Einzelfall mit rechtlicher Unterstützung geklärt werden.
Für Ideen oder Konzepte liegt kein Urheberrechtsschutz vor:
"Das Urheberrecht besteht nur an Gestaltungen, nicht aber an Ideen, Konzepten, Methoden, wissenschaftlichen Erkenntnissen, Naturgesetzen oder Stilen. Schutzgegenstand ist immer nur eine konkrete Ausprägung eines geistigen Inhalts oder einer Idee. Anders ausgedrückt: Nicht geschützt sind die Mittel zum Werkschaffen – z.B. die Sprache, die nötig ist, um einen Text zu formulieren – sondern nur deren konkrete Anwendungen in Form eines Werks." (ebd., S. 12)
Handelt es sich bei dem Material um ein Werk, dann fahre mit diesen Fragen fort:
1. Handelt es sich um ein freies Werk?
Wenn das Material ein freies Werk ist, gelten für dessen Nutzung "freiheitlichere" Nutzungsregeln (ebd., S. 17).
Das Werk ist gemeinfrei
70 Jahre nach dem Tod der urhebenden Person eines Werkes, erlischt dessen Urheberrecht. Ist diese Schutzdauer abgelaufen, spricht man auch von einer Gemeinfreiheit des Werkes. Für seine Nutzung müssen weder Nutzungsrechte eingeholt noch Vergütungen bezahlt werden.
Achtung: An einige Werken bestehen mehrere Schutzrechte, deren Lafzeit mögicherweise noch nicht abgelaufen ist. Eine umfassende Prüfung bietet sich also an (vgl. ebd., S. 18f.).
Es handelt sich um ein amtliches Werk
Hierunter fallen Gerichtsurteile und Gesetzestexte.
Das Werk steht unter einer öffentlichen Lizenz
An dieser Stelle zeigt sich das große Potenzial von offenen Bildungsmaterialien (OER). Denn wird ein Werk unter einer freien Lizenz veröffentlicht (als OER), kann es trotz Urheberrecht verwendet und verbreitet werden. Mit der Vergabe einer freien Lizenz räumt die urhebende Personen allen Nutzerinnen und Nutzern - je nach Lizenz - Nutzungsrechte ein, die ihnen erlauben, das Werk zu den darin genannten Bedingungen zu verwenden, ohne zuvor mit dem Urheber oder Rechteinhaber Kontakt aufnehmen zu müssen. Für Lehrende also eine tolle Sache, da sie somit ganz verschiedenes Material oder digitale Programme, die unter einer offenen Lizenz stehen, für den Unterricht verfielfältigen, verwenden und in vielen Fällen auch verändern können.
2. Greifen die Schrankenbestimmungen des Urheberrechtes?
Es gibt zudem bestimmte Regelungen, die dafür sorgen, dass auch Werke, die nicht offen lizenziert sind, ohne Zustimmung und Vergütung genutzt werden können. Diese Schrankenregelungen sind vor allem für Kunst, Wissenschaft und Lehre von Bedeutung.
Das Zitatrecht
Das Zitatrecht erlaubt Dir, einen begrenzten Teil (auch) eines urheberechtlich geschützten Werkes zu verwenden - insofern Du die urhebende Person benennst.
Es darf in und aus jeder Werkart zitiert werden, wenn
- ein Zitatzweck vorliegt
- der Umfang des Zitates gerechtfertigt ist
- das fremde Werk nicht verändert wurde
- die Quelle angegeben wurde (vgl. ebd., S. 50).
Unterricht und Lehre
Der am 1. März 2018 in Kraft getretene § 60a UrhG erlaubt Bildungseinrichtungen die Verwendung urheberrechtlich geschützen Materials zur Veranschaulichung des Unterrichts. Wichtig ist, dass hierbei nur nicht kommerzielle Zwecke verfolgt werden dürfen.
Die Werke dürfen in diesem Fall vervielfältigt, verbreitet, öffentlich zugänglich gemacht (beispielsweise über das Internet oder Intranet zum individuellen Abruf bereitgehalten) und öffentlich wiedergegeben (beispielsweise zur Vorführung eines Werkes in einem Online-Kurs, oder für Präsentationen im Unterricht verwendet) werden (vgl. ebd., S. 54).
Umfang der Werke:
Es dürfen grundsätzlich bis zu 15% eines veröffentlichten Werkes verwendet werden (herunterladen, digitalisieren, ausdrucken,...).
Bei der Berechnung sind sämtliche Seiten zu berücksichtigen, deren Inhalt überwiegend aus Text besteht (d.h. einschließlich Inhaltsverzeichnis, Vorwort, Einleitung, Literaturverzeichnis, Namens- und Sachregister); lediglich Leerseiten sowie Seiten, die überwiegend Bilder, Fotos oder Abbildungen enthalten, sind außer Acht zu lassen.
Volständig genutzt werden dürfen:
- Abbildungen
- einzelne Beiträge aus Fachzeitschriften oder wissenschaftlichen Zeitschriften (jeweils nur ein einzelner, vollständiger Beitrag)
- vergriffene Werke (d.h. seit min. 2 Jahren nicht mehr über den Buchhandel lieferbar)
sonstige Werke geringen Umfangs:
für Druckwerke ≤25 Seiten
für Noten ≤6 Seiten
für Filme ≤5 Minuten
für Musik ≤5 Minuten
Achtung:
Die Nutzung von für den Schulunterricht erstellten Werken wird ausgeschlossen. Das bedeutet, dass auch kleine Teile oder einzelne Texte aus Schulbüchern an Schulen nicht ohne die Zustimmung des Rechteinhabers für Unterrichtszwecke kopiert, digitalisiert oder digital zugänglich gemacht werden dürfen (vgl. ebd., S. 57).
Die Quellenangabe ist stets Bestandteil guter wissenschaftlicher Praxis und bei den genutzten Werken Pflicht!
Wissenschaftliche Forschung
Auch in der wissenschaftlichen Forschung gibt es Ausnahmen im Urheberrechtsgesetz. Diese sind in der zentralen Wissenschaftsschranke des § 60c UrhG geregelt.
Er besagt, dass geschützte Werke im Rahmen einer wissenschaftlichen Forschung und deren qualitativen Prüfung nicht nur vervielfältigt und verbreitet, sondern einem abgegrenzten Personenkreis auch öffentlich zur Verfügung gestellt werden dürfen.
Umfang der Werke:
Wie für den Unterrichts- und Lehrbereich dürfen auch für die wissenschaftliche Forschung 15% eines Werkes verwendet werden.
Volständig genutzt werden dürfen:
- Werke geringen Umfangs
- einzelne Beiträge aus Fachzeitschriften usw.
Dienen Werke ausschließlich eigenen persönlichen Zwecken, dürfen bis zu 75% dieser kopiert werden.
Auch hier gilt: Die Nutzungshandlungen sind nur dann zulässig, wenn sie keinen kommerziellen Zweck verfolgen (vgl. ebd., S. 61 f.).
Diese und weitere Informationen zum Urherberrechtsgesetz findest Du in der Broschüre Rechtsfragen zur Digitalisierung in der Lehre Praxisleitfaden zum Recht bei E-Learning, OER und Open Content von Kreutz und Hirche.
Das Zentrum für multimediales Lehren und Lernen (@LLZ) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat im Rahmen des Innovationsprojekts „Studium multimedial“ ein Wiki erstellt, das unter CC BY NC SA 3.0 zur Verfügung steht und über die Einbindung verschiedener multimedialer Elemente in Lehrveranstaltungen informiert. Es gibt unter anderem einen Leitfaden an die Hand, der einem bei der Beurteilung darüber helfen soll, ob ein fremdes Werk für eigene Zwecke verwendet werden darf oder nicht.
Eine weitere, sehr interessante Inforationsquelle zum Thema Medienrecht bietet außerdem die Broschüre Alles geklärt? Medienproduktion und Recht der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb).
Auch die Cyber Law Clinic der Fakultät für Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg berät im Bereich Medienrecht und Internetfragen. In Kooperation mit dem medienpädagogischen Hamburger Netzwerk Mediennetz Hamburg e.V. können hier wichtige Fragen und Antworten rund um den Umgang mit Urheberrecht und digitalen Medien eingesehen werden.
Auch diese Quellen informieren Dich über die Beachtung des Urheberrechts im Lehrkontext:
- Merkblatt Urheberrecht in der Lehre der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg
- Praxishilfe Urheberrecht in der Schule von Internet-ABC
Wie steht es um Dein bisheriges Wissen zum Thema Urheberrecht in der Lehre?
Inwiefern spielte das Thema für Dich bislang eine Rolle (im Studium, in Deinen praktischen Erfahrungen)? Bedarf es einer größeren Aufmerksamkeit?
Nach welchen Kriterien hast Du bislang Materialien für Deinen Unterricht ausgewählt? Ändert sich daran nun etwas?
Nimm diese Fragestellungen als Anlass, Dich mit der Community im WORKSPACE auszutauschen.
Literatur:
Nutzungshandlungen im Rahmen des § 60a UrhG von Dr. Nazime Assly, Universitätsbibliothek an der TUHH, CC BY SA 4.0.